Haben sich Feminist*innen in den vergangenen Jahren mehr und mehr Raum im politischen und gesellschaftlichen Raum erkämpft, bleibt natürlich auch die Wirtschaft nicht stehen. Doch hat sich in der Werbung tatsächlich so viel geändert? Und wie viel ehrlich gemeintes Engagement steckt eigentlich hinter diesem Wandel?
Von der Haltung, dass Frauen an den Herd und Männer auf die Arbeit gehören, sind wir 2022 glĂĽcklicherweise meilenweit entfernt. Oder? Zwar hat der Feminismus der letzten Jahrzehnte einiges bewegt und an vielen Stereotypen genagt, doch das Bild der Feministin als strenge, Männer hassende Frau mit SpaĂźfaktor 0 ist tatsächlich noch gar nicht so lange in der Mottenkiste. Erst seit wenigen Jahren schmĂĽcken sich auch viele Prominente aus allen Ecken der Popkultur selbstbewusst mit diesem Token. Deswegen und weil Frauen mittlerweile mehr Geld verdienen, ist das Interesse der Wirtschaft geweckt. Feminismus ist jetzt eben Trend und den gilt es zu vermarkten.Â
In der Modebranche zeichnet sich diese Entwicklung beispielsweise durch teils sehr plumpe Aufdrucke aus, während sich in den Chefetagen weiterhin größtenteils Männer die Hand reichen. Wenn symbolischer Feminismus nicht mit der Wirklichkeit einhergeht, bleibt die Frage, wie viel er denn am Ende wirklich wert ist. Haben wir an einigen Stellen den Eindruck, dass sich tatsächlich schon einiges zum Positiven gewandelt hat, sieht die Realität vor allem in der deutschen Werbebranche nämlich noch ganz anders aus. Wo die USA und die UK bereits gewisse Regularien fĂĽr Reklamen an öffentlichen Plätzen einfĂĽhrten, die sexistische und Genderstereotypen verbreitende Inhalte verbietet, hinkt Deutschland noch einige Meilen hinterher.Â
Manche mögen jetzt schon genervt mit den Augen rollen und darauf hinweisen, wie lange keine sexualisierten Frauenkörper mehr zu sehen seien. Doch tatsächlich beschränkt sich das Werbebild von Frauen in deutscher Werbung weiterhin auffallend oft auf die Rolle als Hausfrau und Mutter, die sich wie Bolle über Haushaltsgeräte freut. Die Männer bringen hingegen das Geld nach Hause, haben keine Gefühle und schon gar keine Aufgaben im Haushalt.
All diese Thesen lassen sich bei Pinkstinks finden, einer Protest- und Bildungsorganisation, die gegen Sexismus und Homophobie kämpft – auch in der Werbebranche. Als positiven Anreiz verleihen sie den Pinken Pudel, der Werbung zugesprochen wird, die mit Geschlechterstereotypen bricht. Als Vorbild dafĂĽr dient der seit 2015 verliehene Glass Lion in Cannes. Auch mit der Werbemelder*in-App, mit der Nutzer*innen Negativbeispiele melden können, will die Organisation etwas bewegen – in Richtung zu mehr Vielfalt und weniger eingestaubten Klischees.Â
Doch erstmal zu dem traurigen Anlass, warum so etwas 2022 überhaupt nötig ist: Früher galt die Strategie „Shrink and Pink“: Dasselbe Produkt wurde für Frauen in kleiner und niedlicher hergestellt. Zwar ist das in diesem krassen Maße in vielen Bereichen nicht mehr die Gangart, doch Gender-Marketing ist weiterhin der Status Quo. Frauen achten laut diesen stereotypisierenden Ideologien vor allem auf Komfort und Design, Männer hingegen auf Leistung und Funktionalität.
Derartige Charakterzuschreibungen sind nicht nur nervig und unglĂĽcklich, sondern können schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Dass sich nämlich auch bei Kindermode und Spielzeug noch ein groĂźer Nachholbedarf aufzeigt, fĂĽhrt laut der Advertising Standards Authority vermehrt dazu, dass Frauen passiver werden und die von der Werbung suggerierte unterwĂĽrfige Haltung akzeptieren.Â
Aber seien wir mal so positiv gestimmt wie der Pinke Pudel, denn natürlich darf man trotz aller Kritik nicht vergessen, dass es tatsächlich sehr gut ist, dass Frauen eben nicht mehr nur als sexualisierte Objekte auftauchen. Frauenkörper in Werbungen werden diverser repräsentiert, weibliche Charaktere dürfen auch mal Leistungssport machen oder Geländewagen fahren, männliche Figuren auch mal Gefühle zeigen.
Wenn man sich auf diese guten Vorbilder konzentriert, darf zum Beispiel der Clip der Commerzbank mit den „DFB-Frauen“ oder „Bertha Benz“ von Mercedes-Benz hervorgehoben werden. Firmen wie Dove gehen sogar schon seit Jahren mit gutem Beispiel voran und zeigen ganz selbstverständlich die unterschiedlichsten Körper. Ă„hnliche Wege gehen immer mehr Firmen – und das ist natĂĽrlich auch gut so.Â
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Ob Fort- oder RĂĽckschritt – die Frage bleibt am Ende, wie gut Werbung und Wirtschaft ĂĽberhaupt mit aktivistischen Themen vereinbar sind. Denn wie bereits erwähnt sollte sich natĂĽrlich auch in den zugehörigen Chefetagen und Arbeitsbedingungen eine Veränderung abzeichnen, denn ohne derartige Wandel nutzt auch die schönste Werbung nichts. Zudem suggeriert vermeintlich feministische Werbung häufig, dass der Kapitalismus die Lösung fĂĽr gesellschaftliche Probleme sei. Schau her, was die Frauen unserer Werbung alles machen – so schlimm ist die Lage fĂĽr euch ja gar nicht. Zumindest nicht mit unserem Produkt!Â
Am Ende ist Emanzipation nun mal nichts, was man mit einem Geldbetrag im Supermarkt nebenan kaufen kann. Die Bestrebungen und Erwartungshaltungen vom Feminismus lassen sich daher nur bedingt in Werbung integrieren. So läuft feministische Werbung stets Gefahr, die eigentlichen Ziele und Problematiken zugunsten einer neoliberalen Selbstbeweihräucherung fernab der Realität zu vertuschen. Dennoch ist der Wandel grundsätzlich als positiv zu betrachten – vor allem, wenn er auch gesellschaftliche Veränderung vorantreibt.Â
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